Erstellt von Anne-Marie Reinecker

Führen in Veränderungen - Auf der Suche nach dem Wundermittel

Change, Transformation, Veränderung, das sind die Schlagwörter im Betreff der meisten Anfragen, die ich aktuell in meinem Posteingang finde. Überall stehen Unternehmen vor der Transformation einer ganzen Organisationseinheit, oder Führungskräfte suchen nach einem Weg für ihr Team, möglichst gut und schnell durch eine anstehende Veränderung zu kommen. Aber die Frage ist: wie damit umgehen, wenn klar ist, dass die Widerstände und Unsicherheiten groß sein können?

Im Austausch mit Kunden erlebe ich immer wieder den Wunsch nach einem Wundermittel, nach dem EINEN Weg, der Widerstände gegen die Veränderung möglichst schnell auflöst und alle glücklich damit sein lässt. „Wie machen das denn andere Unternehmen?“ werde ich immer wieder gefragt und schaue in enttäuschte Gesichter, wenn ich darauf kein Patentrezept liefern kann und im Grunde auch gar nicht möchte! Denn: Jeder Umgang mit einer Veränderung ist so individuell wie die konkrete Situation und die Organisation selbst, in der sie stattfindet. Da ist es nur menschlich auf Unterstützung zu hoffen und auf bewährte Wege aufbauen zu wollen.

Mehr „Wie“ statt Wundermittel

Eine Musterlösung oder ein Wundermittel, um Veränderungsprozesse erfolgreich zu begleiten und zu implementieren gibt es jedoch leider nicht. Aber es gibt eine Vielzahl an Rahmenbedingungen und Strukturen, die einen Unterschied machen und den Weg zum erfolgreichen Umsetzen der Veränderung bestmöglich für alle Mitarbeiter ebnen.

Dabei gibt es eine wesentliche Grundvoraussetzung: eine offene Haltung gegenüber allen Facetten im Prozess. Immer wieder erlebe ich, dass es keine erfolgreiche Veränderung ohne diese Haltung geben kann. Es geht darum, WIEdie Geschäftsführung und die Führungskräfte dem Wandel gegenüberstehen, und WIE mit den Emotionen aller Betroffenen im Unternehmen umgegangen wird. Denn wie schon meine Kollegin Susanne Stock in ihrer Kolumne verdeutlicht: Emotionen müssen und können auch bei Veränderungen nicht draußen bleiben! (Siehe auch: Wirtschaftsstandort Niederrhein, Ausgabe Winter 2019) Sie sind zentraler Ankerpunkt in jeder Veränderung, zeigen wo jeder Einzelne und die Organisation steht. Sie bieten die Möglichkeit, eben nicht einem Patentrezept zu folgen, sondern hinzuhören und hinzuschauen und entsprechend der Bedürfnisse der Beteiligten zu agieren.  

Es geht also um die Frage: Welche Erwartungen haben wir an uns selbst und an unsere Mitarbeiter in Veränderungen? Welche Haltung haben wir gegenüber Mitarbeitern, die ihren Emotionen Ausdruck verleihen?

Veränderung wird von jedem Menschen anders erlebt.

Was jemand dabei fühlt und wie stark die Emotionen ausgeprägt sind, hängt von Faktoren wie Erfahrung, persönlicher Betroffenheit, erwartetem Nutzen oder individuellen Kompetenzen ab. Auch die genaue Gefühlsabfolge von dem Moment an, in dem sich die Notwendigkeit von Veränderung offenbart, bis hin zu der Phase, in der ein Mensch die Veränderung aktiv mitgestaltet, ist nicht vorhersagbar. Allerdings lassen sich die “Gefühlsstationen” modellhaft gut charakterisieren. Ein Modell, das bestens geeignet ist Emotionen in Veränderungen zu reflektieren, ist das House of Change. Es wurde von Claes Janssen in den 70er Jahren nach umfangreicher Forschung entwickelt.

Das Modell beschreibt vier emotionale Phasen, die Menschen im Umgang mit tiefgreifenden Veränderungen durchlaufen: Selbstzufriedenheit, Verweigerung, Unsicherheit und Erneuerung. Wie lange der Einzelne in der jeweiligen Phase verweilt, ist höchstindividuell. Fakt ist auch, dass jede dieser vier Phasen und die damit einhergehenden Emotionen notwendig sind, um als Individuum und damit dann auch als Organisation so weit zu sein, die Veränderung aktiv anzunehmen und mitzugestalten.

Wenn ich also meinen Mitarbeitern und auch mir selbst mit der Haltung begegne, dass Emotionen wie Wut oder Angst, aber auch Freude und Enthusiasmus normal und in Ordnung sind und damit alle in einem Boot sitzen, dann schaffe ich den notwendigen Rahmen, der als Basis für einen erfolgreichen Veränderungsprozess dienen kann. Das Modell des House of macht die Veränderung greifbarer, Emotionen sprachfähig und nimmt viel Druck von den Führungskräften. Es macht es leichter, Unsicherheiten anzusprechen. Das Modell bietet  die Möglichkeit sich als Führungskraft, aber auch als Mitarbeiter raus aus der Unbeweglichkeit hinein in die Reflexion zu begeben:

  • „Wo stehe ich emotional mit Blick auf die Veränderung?“,
  • „Was brauche ich an Unterstützung?“
  • „Wo steht jeder einzelne meiner Mitarbeiter?“
  • „Was kann ich gerade maximal von ihnen erwarten?“
  • „Was kann ich tun, um sie zu unterstützen?“

Das Wundermittel

Wer also nach einem Wundermittel für den Umgang mit Veränderungsprozessen sucht, findet es in sich selbst und in der Bereitschaft, bewusst die eigene Haltung und die der Organisation zu hinterfragen. Das ist manchmal unbequem, aber ungemein effektiv. Nehmen Sie sich einmal ein Modell wie das House of Change zur Hand und schauen Sie bewusst wo Sie und ihre Mitarbeiter gerade stehen und was ein realistischer nächster Schritt für ihr Team sein kann. Und am Ende finden Sie dann das, worum es wirklich geht: Ihren individuellen Weg. So individuell, wie Ihre Organisation und Ihre Mitarbeiter – passend zur Lösung Ihrer Herausforderungen.

 

Dieser Artikel erschien auch in der Zeitschrift Wirtschaftsstandort Mönchengladbach